Lasst uns bunte Adjektive in inhaltsleere Texte knallen, weil nur so können die unwissenden aber neugierigen Leser wirklich verstehen, warum meine einzigartigen Produkte nicht nur überzeugend und kaufwürdig, sondern wirklich die besten sind. Je präziser wir etwas beschreiben, desto besser wird der Text. Oder? Sollte ich dann nicht einfach tausende an kreativen, aufmerksamkeitsheischenden, ahaeffekteerzeugenden Adjektiven aufs weiße und natürlich unbeschriebene Papier bringen? Uff.
Ganz klar: Nein. Kein deutliches Nein, kein lautes Nein, kein starkes Nein. Ein Nein ist ein Nein. Und jedes vorangestellte oder nachgestellte Adjektiv (auch hier könnte ich die Adjektive vorm Adjektiv weg lassen) blähen mein Nein nur auf. Unnötig auf sogar.
Sinnlose Adjektive
Ja, Adjektive sind verführerisch (hier ist ein Adjektiv übrigens angebracht). Sie sind aber auch Ausdruck von Faulheit. Weil sie kaum mehr Informationen vermitteln, als das zu beschreibende Wort es bereits tut. Und vor allem sind sie oft einfach überflüssig. Ist meine Meinung weniger persönlich, nur weil ich nicht von meiner persönlichen Meinung rede? Das Adjektiv persönlich ist hier vor allem eins: fehl am Platz. Nicht nur bei meiner Meinung, sondern auch bei einem persönlichen Gespräch oder bei der persönlichen Anwesenheit. Gibt es unpersönliche Gespräche? Oder eine unpersönliche Anwesenheit? Oder ist die Tragödie weniger schrecklich, wenn ich nicht von einer schrecklichen Tragödie schreibe? Oder ist der nigelnagelneue Computer gar nicht so hochwertig, weil in der Beschreibung nicht die Rede ist von qualitativ hochwertig? Und was ist gar mit dem günstigen Schnäppchen oder dem nützlichen Vorteil? Wer dem günstigen Schnäppchen sein Gegenwort aufdrängt, wird schnell feststellen, dass teure Schnäppchen genauso sinnbefreit sind wie günstige Schnäppchen.
Adjektive blähen einen Text auf. Sie verlängern, wo Kürze gefragt ist. Und sie sind subjektiv. Was für mich eine protzige Yacht ist, ist für Elon Musk ein Boot unter seiner Würde. Was für den Lehrer eine spannende Hausaufgabe ist, ist für den Schüler der langweiligste Text auf Erden. Und wenn jemand Koriander als würzig-lecker beschreibt, fällt mir als Adjektiv nur nachkernseifeschmeckend ein.
Verben statt Adjektive. Von mir aus auch knackige Verben.
Wie aber dann etwas besser beschreiben? Mit Verben. Statt von einem ungewöhnlich heißen Sommertag zu schreiben, erzeuge besser Bilder: die Straßen dampfen vor Hitze, nicht nur Hunden, auch den Menschen hängen die Zungen bis zum Boden, in den U-Bahnen klebt der Duft von Vanille-Deo an den Fenstern, Klimaanlagen tropfen von den Hauswänden, das Gras auf der Liegewiese im Freibad ist unter Handtüchern nicht mehr zu sehen und Ventilatorenhändler freuen sich über den Gewinn ihres Lebens. Was auch immer. Verben und Nomen erzeugen Bilder im Kopf der Leser. Ganz ohne Adjektive. Wie ließe sich zum Beispiel ein bitterkalter Winter ohne Adjektive beschreiben? Eisblumen zieren die Fenster. Abflussrohre frieren zu. Menschen rutschen durch die Straßen. Krankenhäuser registrieren mehr Knochenbrüche. Autofahrer kratzen an Windschutzscheiben und Hausmeister türmen Schneeberge auf. Und so weiter.
Adjektive töten. Aber mit Bedacht.
Adjektive sind dann essentiell, wenn sie zur Unterscheidung beitragen: das rote oder das blaue Kleid, die deutsche oder die englische Sprache, der kleine oder der große Junge. Nur dann helfen Adjektive dabei, präziser zu schreiben. Weil ich mit einem “Das blaue Kleid ist meins!” meinen Besitz präzisiere. Natürlich spricht nichts dagegen von einer flauschigen Wollmütze oder einem wilden Fluss zu schreiben. Man muss es schließlich nicht wie Mark Twain halten, der jedes Adjektiv töten wollte. Aber bedacht mit ihnen umgehen, das sollte jeder Texter.